Daniela Krien: Muldental
Diogenes, 2019. 240 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Nachdem mir das letzte Buch von Daniela Krien: „Die Liebe im Ernstfall“ bereits so gut gefallen hat, war ich schon recht gespannt auf den Erzählband: „Muldental“.
Die Mulde ist ein Fluss in Sachsen-Anhalt. Ich musste erst einmal recherchieren, welches Gebiet das genau ist. Ziemlich weit entfernt von meiner Heimat in einem Gebiet,das mir unbekannt ist.
Alle zehn Geschichten spielen um die Zeit der Wende und Daniela Krien beschreibt die Figuren in ihrem Erzählband als Gestrauchelte, als Verlierer ihrer Zeit.
Natürlich ist nicht nur die Wende allein verantwortlich zu machen für bittere Schicksalsschläge. Und die Ostdeutschen wurden nicht überall mit offenen Armen empfangen. Es geht um Vorurteile und Klischees von denen im Westen. Es geht um Alkoholismus, Gewalt., Prostitution. Erzählt in schnörkelloser Sprache.
Daniela Krien erzählt von Menschen, deren Wertesystem, deren Heimat es so nicht mehr gibt. Manche halten diesen Schmerz nicht mehr aus. Sie werden gewallttätig, kalt und brutal. Andere Familien zerbrechen, Mädchen werden ermordet, Ehen lösen sich auf. Man behält den Schein und ist nach Feierabend ganz anders und lässt die Wut an anderen aus.
Im Muldental ist nichts heimelig und gemütlich, wie es der Name eigentlich vermuten ließe. Im Muldental findet die Liebe kein Zuhause. Tief beeindruckt hat mich zum Beispiel die Geschichte „Mimikry“.
„Das Leben ist ein der härtesten“. Dieser Spruch hängt über dem Spülbecken, gleich neben dem Katzenkalender. Die Autorin schafft es, sofort einen Eindruck der Umgebung zu vermitteln.
Erzählt wird von Anne, die einen ganz miesen Brief hiner dem Wischerblatt ihres Autos findet. Ein Westdeutscher rechnet mit den Ostdeutschen ab. Voller Rechtschreibfehler, voller Vorurteile, Unterstellungen, Beleidigungen.
Auch in ihrer Ausbildung als Zahnarzthelferin begegnet sie dem allen. S. 42:
„Also Mama, wenn du es genau wissen wilst: Heute hat mich der Chef früher gehen lassen, oder besser gesagt nach Hause geschickt, weil Frau Huber, bei der eine Paradontosebehandlung durchgeführt werden musste, nicht wollte, dass ich assistiere. Sie hatte Angst, ich könnte sie mit einer Krankheit anstecken. Genauer gesagt hatte sie Angst vor meinen Bakterien, obwohl ich Gummihandschuhe anhatte. Sie meinte, sie habe nichts gegen Ostdeutsche, aber die hätten doch andere Bakterien als die Westdeutschen….
Der Dialog geht an dieser Stelle noch weiter. Die Mutter erwidert:
„Aber dein Chef ist doch nett“.
„Ja, schon“.
„Und Deine Kolleginnen auch“.
„Zwei“, sagt Anne. „Zwei sind nett zu mir. Es sind aber fünf Helferinnen“.
Resultat des Dialogs: Sag´s nicht dem Papa. Man muss sich doch anpassen.
Anne schließt die Tür und legt sich aufs Bett. Die Geschichte hat aber noch viel mehr zu bieten, denn es gibt da noch Mattis, der genauso frustriert ist wie Anne. Der letzte Satz lautet:
„Damit hatte sie wirklich nichts zu tun“.
Auch die anderen Texte sind gewaltig. Man legt die einzelne Geschichte nicht einfach wieder so aus der Hand, weil sie so eindrücklich sind.
Also: unbedingt lesen!