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Von Heldinnen

Von Heldinnen

Mit Doris Dörrie reisen

Diogenes Verlag

Ich war also in San Francisco, in Kyoto und in Marrakesch mit Doris Dörrie.

Und wo war es am schönsten? In Japan. Weil mich die Geschichte um Tatsu so sehr berührt hat. Es gibt so viele Heldinnen in Doris Dörries Roman. Auf dem ersten Blick sind sie erst einmal keine. Und auf dem zweiten und dritten Blick um so mehr:

Tatsus Familie aus Japan. Die Frauen, die sich mit Tauchen ohne Atemgerät nach Meeresfrüchten  ihren Lebensunterhalt verdienen. Tatsu, die studiert und dann nur noch vorgibt zu studieren und bei einer deutschen Familie hängenbleibt um deren Haushalt in Ordnung zu halten und die Kinder zu beaufsichtigen. Die kugelrund und nicht dürr ist. Die sich in Wolle, den Familienvater, verliebt und er sich aber nicht in sie und schnell für Ersatz sorgt, nachdem Tatsu flüchtet.

Dörrie kann das so wahnsinnig gut beschreiben. Ohne viel Worte und doch so treffend. Diese Trauer, die Enttäuschung. Dazwischen flicht sie immer wieder eigene Erlebnisse ein. Auch die Schriftstellerin selber scheint in jungen Jahren in einer toxischen Beziehung festgesteckt zu haben. Beeindruckend empfand ich auch die Szene in Marrakesch oder sonstwo, wo ein viel älterer Mann mit einem jungen Mädchen an einem Restauranttisch draußen sitzt und die Erzählerin beobachten kann, wie übermächtig der Mann ist und wie die junge Frau um seine Gunst kämpft und er sie herablassend behandelt vor allen Leuten. Die Heldin, Dörrie, provoziert den Mann, als sie bemerkt, wie fies er mit der Frau umgeht. Es kommen Erinnerungen in ihr hoch, wie sie selbst einmal so von einem Mann behandelt wurde und unfähig war, sich zu wehren, oder ganz einfach zu gehen.

In einem anderen Kapitel beschreibt sie den Fastabsturz eines Flugzeuges, in dem sie sitzt. Auch Heldinnen haben Angst. Todesangst.

Das Buch lässt sich super lesen. Es ist eins der persönlichsten Bücher von Doris Dörrie.

An manchen Stellen und Passagen merkt man zwar, dass es vielleicht so „heruntergeschrieben“ wurde. In manchen Passagen ist aber ganz und gar nicht so. Einzig der Humor steckt manchmal fest. Kommt spröde herüber. Aber ansonsten ein tolles Buch. Als Fan von Doris Dörrie unbedingt zu empfehlen. Außerdem bekommt man Lust, die besonderen Spezialitäten auch einmal auszuprobieren, wie die salzigen Pflaumen. Dörrie schreibt eben sehr sinnlich.

Herzlichen Dank dem Diogenes Verlag, der mir das ebook zur Verfügung gestellt hat!

 

 

Abendrot

Abendrot

Traurigschön

 

Auch das dritte Buch des amerikanischen Autors Kent Haruf hat mich wieder sehr beeindruckt.

Es spielt wieder in der fiktiven Stadt Holt und einige Figuren begegnen einem wieder. Man meint sie schon lange zu kennen. Raymond, Victoria, Rose. Aber auch alle anderen kommen einem sehr nah und das ist die Kunst von Kent Haruf. Die Kunst in einer kargen Sprache ganz viel zu erzählen. Die Zwischenzeolen und das nicht ausgeschrieben sprechen Bände. Dazu der besondere Stil der Zeitlosigkeit, die alle Romane von Haruf ausmachen.

Abendrot

Cover: Diogenes Verlag

 

Selbst die Beschreibungen der Häuser oder Wohnmobile, Schuppen oder Arztpraxen sind karg, aber doch so treffend gezeichnet, dass man meint, selbst die Gerüche drinnen wahrnehmen zu können.

 

Raymond mit seinem eisengrauen Haar, einer, der arbeitet ohne zu klagen auf seiner einsam gelegenen Farm. Nun ohne seinen Bruder, der beim Einpferchen der Tiere von einem Bullen attackiert wird und bald danach stirbt. Victoria, mutterseelenallein und nun selber Mutter und Studentin und Ziehtochter von Raymond.

DJ, der seinen Großvater versorgt. Völlig selbstlos und in Dena eine Freundin findet. Und einen Schuppen, um sich zurückzuziehen von der Welt da draußen, bei Kerzenschein, kaltem Kaffee und Büchern.

Rose, die Sachliche, die Sozialarbeiterin, die so viel gibt und doch gegen Windmühlen ankämpft und auch Schwäche zeigt und diese in den Armen von Raymond zeigen kann.

Dazwischen Seiten, so brutal, dass man fast nicht weiterlesen kann. Die Eltern von Ritchie und Joy Raye, die machtlos sind gegen die Gewalt ihres Großonkels. Kaum auszuhalten, diese Gewalt. Kaum auszuhalten das Nichtwehren, Nichteinschreiten der Eltern.

Die letzten Seiten des Buches habe ich immer langsamer gelesen, weil ich die Figuren nicht zurücklassen wollte. Weil ich nicht wollte, dass mich die  Figuren verlassen. Und weil ich weiß, dass der Autor Kent Haruf nicht mehr lebt. Ich nicht weiß, ob es noch einen Band geben wird. In der Presse wird stets darauf hingewiesen, dass es sechs Bücher von Kent Haruf gibt. Bis jetzt habe ich drei gelesen:

„Unsere Seelen bei Nacht“, „Lied der Weite“ und „Abendrot“. Alle drei sind ganz besondere Bücher, die man nicht so schnell vergisst.

An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an den Diogenes Verlag, der mir wieder ein Leseexemplar zur Verfügung gestellt hat!