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Bob Dylan, Ernest Hemingway und die anderen

Bob Dylan, Ernest Hemingway und die anderen

Campino zum Beispiel. Lotti Huber, Anne Frank, Peter Stamm, Anselm Grün, Henning Scherf, Götz George, Ina Müller, Gerbrand Bakker, Albrecht Dürer, Auguste Rodin, Neo Rauch. Die hätte ich alle gern mal getroffen. Nicht alle zusammen. Schön einzeln.

In einem plüschigen Café bei Ovomaltine. Oder in einer verräucherten Bar irgendwo in Soho. Oder in einer Strandbar in Key West mit einem Mojito oder zwei. Bei einem Spaziergang im Regen, oder bei mir zuhause auf der Knautschecouch. Auf einer Zugfahrt oder in einem Heißluftballon. Egal. Ich hätte so viele Fragen.

Aber Dienstag bin ich einem schon ziemlich nahe: Gerbrand Bakker. Er hält eine Lesung. Leider nicht in meinem Wohnzimmer auf der Knautschecouch, sondern in der Stiftsbuchhandlung Maschmann in Nottuln, Stiftsplatz 10.

Er liest aus seinem Roman: Der Umweg.

Ich weiß auch schon, was ich ihn fragen werde.

Vielleicht sehen wir uns dort? 22.5.2012, 20 Uhr

Tante Lula

Tante Lula

Warum ich heute zu spät nach Hause kam und auch keine Brötchen mehr bekam:

Da war sie wieder. Die alte Frau beim Bäcker. Mit ihrem Rollator sitzt sie stets in der Kaffeebar des Supermarkts. Wieder die bunte Jacke. Wieder diese dunklen, wachen Augen. Heute war ich spät dran. Die alte Dame stand schon draußen unter dem großen Vordach. Es regnete in Strömen und sie zog die Regenhaube tiefer ins Gesicht. Ich grüßte sie wie immer. Schickte ein Lächeln durch den Regen zu ihr. Ein kurzer Gruß. Ein paar Floskeln über das Wetter. Und dann erzählte sie. Einfach so. Aus ihrem Leben vor langer Zeit. Damals in Oberschlesien. Ich bemerkte ihren Dialekt und konnte mir vorstellen, wie schön sie früher war. Jetzt waren ihre Beine dick und sie klagte über Asthma und Schmerzen. Aber nur kurz. Dann erzählte sie wieder von früher und ich staunte. Und hörte zu. Wir standen im Regen und der Wind zerrte an meinen Haaren. Aber das war egal. Sie erzählte von ihren Kindern. Weit weg. Von den Anrufen der Enkel. „Tante Lula“, sagen sie. Und Tante Lulas Augen lachen ganz still. Die alte Frau sagte, dass die Enkel sagen, dass sie sicher schon Alzheimer hätte. „Aber“, sagte sie, „das ist gar nicht so schlimm. Ich erinnere mich an alles. An die Flucht, an das Lager, an die Morde, an den Hunger. An eine Heimat weit weg und nicht mehr da. Ich erinnere mich an alles. Soviele Geschichten im Kopf. Auch nachts, wenn ich nicht schlafen kann. Nur was gestern war, was vorgestern: das weiß ich nicht.“

Tante Lulas Augen lachten. Ich fasste ihren Arm und sie nahm meine Hand. Für ein paar Sekunden standen wir einfach nur so da. Hand in Hand. Unsere Augen lachten. Dann gingen wir auseinander. Ich sah der kleinen Gestalt nach, die soviel erlebt hatte und hoffe, dass sie mich morgen wieder grüßt und mich nicht vergessen hat.