O ja, ich will nicht umsonst gelebt haben wie die meisten Menschen. Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod.“ (Zitat: Anne Frank)
Sie fiel sofort auf, als sie an der Hand ihrer Mutter an der Elbe entlang spazierte.
Ganz anders als andere Mädchen sah sie aus. Kein rosa an ihr. Kein Kitsch. Ernst blickte sie aus dunklen Augen. Ich war mir sicher, sie war es. Es konnte nur sie sein. Sie strahlte eine Würde und Selbstsicherheit aus, obwohl sie vielleicht gerade acht Jahre alt war. Ihr aufrechter Gang faszinierte mich. Sie trug ein nostalgisch aussehendes geringeltes Strickkleid in matten Farben und am Kragen baumelten kleine, senffarbene Bommel. Die nackten Füße steckten in Sandalen.
Der Clou war jedoch ihr Hut! Er sah aus, wie ein altmodischer Herrenhut mit schmaler Krempe. Unter dem hellen Strohhut lugte das schwarze Haar des Mädchens hervor, das sie zu einem Bob geschnitten trug. Oben hatte der Hut einen Kniff und um den Kopfteil hatte das Mädchen ein glitzerndes rotes Band gebunden.
Ich schaute dem Mädchen nach und konnte meinen Blick kaum lösen und war mir ganz sicher, dass sie es war. Anne Frank! Ich zwinkerte ihr zu, als Zeichen, dass ich sie erkannt habe und sie weiter fortlebt und nicht vergessen wird. Das Mädchen ließ sich jedoch nichts anmerken. Drehte sich jedoch noch einmal nach mir um. Dann war sie auch schon im Trubel verschwunden.
Viel später dann, als ich an der Elbe entlang weiter spazierte, fand ich etwas Glitzerndes im Gras.
Es war ein rotes, langes, glitzerndes Band.
© Sine