Monthly Archives: März 2018

Anti Aging

Anti Aging

Altersempfehlungen

 

Gestern war es soweit. Ich fühlte mich alt.

Alt und reif genug jedenfalls für eine Anti-Aging -Creme. Und da stand auch schon eine unter hunderten in der Drogerie.

Die Verpackung ansprechend in rosa und gold gehalten. „Neu“ las ich auch noch. Und „für sehr reife, müde Haut“.

Na, wenn das mal nicht passt, dachte ich. Überreif und sehr, sehr müde. Nicht nur die Haut. Wenn Frau schon nicht über Vitamin B verfügt, Vitamin B 3  ist in dieser „festigenden Pflege“ jedenfallsenthalten, verspricht der Hersteller. Also im Gesicht hängt noch nichts, weder Wangen, noch Lider, aber wer weiß, was Frau ab 50 blühen kann. Da ist Vorbeugung alles!

Jeder Blick in den Spiegel morgens ist mit den Einstufungen:

„Jau!“ oder, „Naja“, oder „Oooooch“, oder „Oh, oh, oh“, oder „Nee, geht gar nicht“ verbunden.

Die Creme soll das jetzt richten, dass jeder Tag zum „Jau“-Tag wird.

Denn es wurde auch noch ein rosiger Teint versprochen, was mir sehr entgegen kam und Gelee Royale ist auch noch drinnen. Auf der Verpackrung obendrein die Abbildung einer „VIVO-Studie“ zur Hautelastizität und Festigkeit vorher und nach 28 Tagen.

Alles Argumente, die mich überzeugten. 50 ml gutes Gewissen für 7,99 €.

Irgendwie beruhigte mich das ungemein, soviel Gutes für mein Gesicht getan zu haben, als ich heute Morgen mit „Age Performance gold“ cremte. Wohlduftend das Ganze. Ein Blick in den Spiegel: Eindeutig ein „Jau“!

Doch was sahen meine trüben Augen im Morgenlicht? Was bitte stand da auf der Verpackung?!

„Altersempfehlung ab 65 bis 70 plus“.

Oweia. Schockstarre. Welche Auswirkungen mag das nun haben? 70 -plus -Creme in Verbindung mit  junger Haut. Mag es zu Irritierungen kommen? Pusteln, Flecken, Qualm und Rauch? Plötzlich schwirrte auch das Wort „festigend“ in meinem Kopf herum und die bange Frage, wie das wohl genau gemeint war vom Hersteller?

Okay, an manchen Tagen fühlt man sich ja auch wie 70 plus. Aber manchmal auch wie 40. Oder?

Also ich warte mal ab, was passiert. Aber etwas Gutes hat das Ganze ja: Man fühlt sich plötzlich wieder jung. Bis 70 plus ist ja schließlich noch laaaaange hin.

 

 

 

Im Wartezimmer

Im Wartezimmer

 

Foto: Rainer Sturm / Pixelio.de

Beim Augenarzt! Die eine bekommt etwas in die Augen getropft, der nächste müht sich mit einem Sehtest, man leidet durch die halboffene Tür mit.

Dann betritt eine Betreuerin mit ihrem Schützling das Wartezimmer. Der Mann kann offensichtlich schlecht sehen, trägt eine dicke Brille. Außerdem Hosenträger und einen Schnäuzer. Seine Stimme ist laut und zerschneidet die Langeweile und die stickige Luft im Raum.

Eine Arzthelferin ruft jemand auf und der Mann mit den Hosenträgern ruft aufgeregt: „Tach, Herr Doktor“. Die Arzthelferin lacht mit dunkler Stimme und erwidert: „Nix, Herr Doktor!“

„Ach, du bist ne Frau“, entgegnet der Mann und beide lachen. Sie wiederholt den Namen der Patientin und der Mann hilft nach: „Frau Reinkemeier! Sie sind dran. Frau Reinkemeier. Sie sind dran, Frau Reinkemeier.“ Und Frau Reinkemeier lächelt nachsichtig und folgt der Arzthelferin ins Sprechzimmer.

Aufgeregt erzählt er nun von seinen Mittagsplänen: „Pommes ess´ ich. Würstchen und Eis. Eis, Würstchen und Pommes. Würstchen, Pommes, Eis“.

Die Betreuerin beruhigt ihn. „Ja, das hast du ja jetzt ein paar Mal gesagt. Ich weiß aber gar nicht, ob es dort Eis gibt!“

„Doch. Pommes, Würstchen und Eis. Eis. Eis gibt es da. Pommes, Würstchen und Eis ess ich“.

Er rutscht auf seinem Sitz hin und her und zuppelt an seinen Hosenträgern.

Eine andere Arzthelferin huscht vorbei. “ Tach auch“. Sie dreht sich um und murmelt ein „Tach“.

„Weiße Hose, grüner Pullover, schwarze Schuhe. Grüner Pullover, weiße Hose, schwarze Schuhe. Schwarze Schuhe, grüner Pullover, weiße Schuhe“, ruft der Hosenträger-Mann.

Dann werde ich aufgerufen. „Frau Mense, bitte!“ Ich stehe nicht schnell genug auf, da ruft der Mann schon: „Frau Mense, bitte. Frau Mense, Du bist dran. Frau Mense. Du bist die nächste!“

„Ja,ja“, murmele ich lächelnd. „Ich eile ja schon!“

Als ich wiederkomme, diskutieren beide, wie lange man noch warten müsse. „Notfall“, meint der Hosenträger-Mann. „Ich bin ein Notfall“. „Ein Notfall bin ich“.

„Nein, nein“, beschwichtigt die Betreuerin. „Mit einer Bindehautentzündung bist du kein Notfall!“

„Doch, doch“, widerspricht der Mann. „Notfall, ich bin ein Notfall“.

Danach hat er Durst, danach muss er zur Toilette. Alles aufregend. Aber die Pommes, Würstchen und das Eis gehen ihm nicht aus dem Kopf.

Als ich schon längst fertig bin, sitzen beide wieder da und warten. Ich verabschiede mich und sage „Tschüß“.

„Tschüß Frau Mense, Tschüß. Tschüß, Tschüß. Ich ess gleich Pommes, Würstchen und Eis. Eis, Pommes und Würstchen. Schwarze Schuhe, blaue Hose, rote Jacke. Blaue Hose, schwarze Schuhe, rote Jacke. Rote Jacke, blaue Hose, schwarze Schuhe.“

Ich lache und winke und freue mich.

Foto: Klaus Steves / Pixelio.de