Monthly Archives: Dezember 2013

Zwischen den Jahren

Zwischen den Jahren

Zwischen den Jahren wäscht man keine Wäsche.

Zwischen den Jahren hängt man auch keine Wäsche auf. Das bringt Unglück. Sagt man. Alle Jahre wieder, zwischen den Jahren, findet eine Schallplattenbörse statt. Die bringt Glück. Sage ich.

Denn dort findet man alles. Schon vor dem Eingang kann man Fachsimpeleien zuhören:

180 Gramm Vinyl, Re-Issue,Englische Pressung, Japan-Pressung, Bootlegs, Limited Edition, Mint,  Ex, VG ++, – -.

Plus, Plus, minus minus.

Marianne J./ PIXELIO.de

Gesammelt wird alles. Verkauft auch. Die Herren sind eindeutig in der Überzahl und manchmal sieht man ihnen das Sammelgebiet schon an… Der Heavy Metaller ist eindeutig auszumachen, genauso der Vokuhila-Mann (mit gepflegter Langhaarfrisur, dauergewellt und einem akurat geschnittenem Pony und Schnäuzer), sowie der Beatles-Fan und die Modern Talking Fan-Frau. 70 Euro waren ihr nicht zuviel um ein paar Poster ,CD´s und Fanbücher zu ergattern.

Alt 68er, sowie Lehrer mit der unverkennbaren hellen Ledertasche neben Punks, Hippies mit Dreadlocks und Ökos. Ergraute Rock ´n Roll Eminenzen neben jungen Hip Hoppern die alle eines gemeinsam haben: Musik. Und zwar die echte auf dem Plattenteller in Vinyl!

John Lennon war auch da, ich habe ihn gesehen. Die Brille, die Haare, die Nase: unverkennbar. Yoko war aber nicht dabei 😉

Brillen werden auf den Kopf geschoben, um dann in Nahaufnahme den Zustand der Vinylscheiben im Licht zu bestimmen. Mint – Oder doch VG ++? Oder ganz egal, hauptsache gefunden, was in der Sammlung noch fehlt!

Wenn man dann seine Beute hat: Die orignial Rolling Stones „Aftermath“ von 1966 ,eine seltene Krautrockscheibe von 1971 oder Deep Purples „Made in Japan“ geht es in die Preisverhandlung:

„Was willste denn für die Stones haben?“

„Hmm. Is die Originalpressung von 66. In dem Zustand nur noch schwer zu kriegen. Muß ich schon 60 € für haben.“

Jetzt wird erst nochmal die Platte aus der Hülle gezogen. Ganz vorsichtig natürlich mit ganz spitzen Fingern und sehr kritisch begutachtet.

„Da sind aber doch ganz schön viele Hairlines drauf. Und das Label ist auch nicht mehr so ganz sauber…“

„Ey Alter, das is ja wohl voll normal. Die is Jahrgang 1966!“

„Aber das Cover ist auch schon etwas angestoßen. Für 45 nehme ich sie sofort:“

„Ja, klar. Wann auch sonst? Nee, gib mir nen Fuffi und dann is gut. Dann haste aber nen echten Schnapper gemacht“.

Ein zerknitterter Fuffi wird über den Tisch gereicht, die Stones-Platte wird vorsichtig in eine Stofftasche und dann in eine Plastiktüte gesteckt. Der Verkäufer zündet sich eine Zigarette an und der Käufer schlendert mit  einem zufriedenen Grinsen im Gesicht auf den nächsten Stand zu und sucht schon im nächsten Plattenstapel nach einer Rarität.

Zwischen den Jahren ist eine besondere Zeit. Eine Zeit des Suchens und des Findens.

Also:macht alles, was Euch glücklich macht. Nur keine Wäsche waschen und  Wäsche aufhängen zwischen den Jahren! Egal ob der Wäschezustand Mint Minus oder noch VG (Very good) ist: Im Januar gehts wieder weiter. Und zwar im Plus-Plus-Modus!

Copyright: Sine.

 

 

 

 

 

Aber mein Wellensittich liebt mich

Aber mein Wellensittich liebt mich

Kalt und zugig ist es auf dem Weihnachtsmarkt.

So gar nicht gemütlich. Einfach nur nass und regnerisch.

Katharina Wieland Müller/ PIXELIO.de

Mir kommt eine ältere Dame mit einem Trolley entgegen. Umständlich zieht sie das Wägelchen hinter sich her. Der Wind zerrt an ihrem Schirm. Ich versuche, ihr auszuweichen, doch da fährt sie mir schon über die Füße. Ich lache. Weil ja bald Weihnachten ist. Und weil die Frau einen lustigen Schirm hat. Mit lauter Elchen darauf.

Die alte Frau lacht. Bleibt stehen und einen kurzen Moment überlege ich, ob ich sie kenne. Aber ich bin mir dann sicher, dass ich sie nicht kenne. Doch die Frau stört das nicht. Sie erzählt, dass sie den Trolley von ihrem Sohn zu Muttertag geschenkt bekommen hat. Dass der Sohn in Seoul lebt. Dass er geschäfltich dort ist. Nur selten kommen kann. Dass er ihr aber immer Geld schicke für die Grabpflege ihres Mannes. Dass er so groß sei und ganz komisch aussehe mit seiner Baskenmütze. Auf einem Foto hat sie die gesehen. Und immer wieder beteuert sie, dass er schließlich sein Leben leben muß. Dabei glänzen ihre Augen ganz merkwürdig, obwohl sie lächelt.

Sie schaut an mir vorbei und ich setze an, weiterzugehen. Da sagt sie noch einmal, dass er sein Leben leben muß. Ich ahne, dass der Sohn dies wohl schließlich auch über Weihnachten in Seoul tun wird. Dass es ein einsames Weihnachten für sie als Mutter werden wird.

Ein Elch auf dem Schirm hat eine rote Nase. Ein dicker Regentropfen landet genau darauf.

„Aber“, sagt sie und legt mir ihre Hand auf dem Arm und lächelt, „aber mein Wellensittich, der liebt mich“.

Dann zieht sie den Schirm vor das Gesicht und geht mit ihrem Trolley weiter und ich bleibe zurück und denke an das Leben, das man leben muß. Zu Weihnachten und überhaupt!

® Sine